Essstörungen und anderen psychischen Erkrankungen während der Coronapandemie gestiegen

Essstörungen

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Schon im letzten Frühjahr wiesen Krankenkassen und Kliniken auf eine starke Zunahme psychischer Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen hin. Im März 2022 berichtete die Kaufmännische Krankenkasse Hannover (KKH), dass die Pandemie bei jungen Menschen deutliche Spuren hinterlässt. Dies mache sich besonders in Form von Ängsten und einem gestörten Essverhalten bemerkbar. Laut KKH haben diagnostizierte Angststörungen wie Panikattacken und allgemeine Angstzustände bei den 13- bis 18-Jährigen von 2019 auf 2020 um rund 9 Prozent zugenommen. Bei Essstörungen wie Magersucht und Bulimie stellte die KKH bei den Versicherten in dieser Altersgruppe ein überproportionales Plus von rund 7 Prozent fest. In der Regel zeigten Jahresvergleiche eine Veränderung von maximal 3 bis 4 Prozent1.

Zwei Monate später berichtete die DAK nach einer Auswertung von Krankenhausdaten von einer massiven Zunahme von Essstörungen und Depressionen bei Jugendlichen. Demnach wurden 2021 im Vergleich zu 2019 40 Prozent mehr Jugendliche (15 bis 17 Jahre) aufgrund einer Essstörung und 25 Prozent mehr Jugendliche wegen einer Depression stationär behandelt2.

Auch einzelne Kliniken machten auf die Zunahme von Essstörungen aufmerksam. Dabei handelte es sich nicht unbedingt um Neuerkrankungen. Für Menschen, die bereits vor der Pandemie an einer Essstörung litten, stellte die Pandemie eine extreme psychische Belastung dar. Es kam häufiger zu einer Verschlechterung der Symptome oder zu Rückfällen3.

Fehlende soziale Kontakte, Sorgen, Ungewissheiten, vermehrte Nutzung von sozialen Medien und ein auf sich selbst Zurückgeworfen-Sein, sind nur einige Faktoren, die das psychische Gleichgewicht schwächen können. Laut Robert-Koch-Institut erwiesen sich Kinder und Jugendliche in der Pandemie als vulnerabler als Erwachsenen. Das ist das Ergebnis eines Anfang des Jahres veröffentlichten Rapid Reviews zu Veränderungen der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen während der COVID-19-Pandemie4.

Dr. Ulrike Wässerle, Oberärztin im Bereich Pädiatrische Psychosomatik am AMEOS Klinikum St. Elisabeth Neuburg, erklärt die Zunahme von Essstörungen damit, dass Betroffene sich durch restriktives Essverhalten oder anderweitig herbeigeführte Gewichtsabnahme (Sport) verstärkt auf die Kontrolle ihres Körpergewichts fokussieren können und damit Ängste vor Kontrollverlust während des Lockdowns kompensiert haben5.

Schon vor der Corona-Pandemie mussten Patienten oft lange auf eine psychotherapeutische Behandlung warten. Die Situation dürfte sich seither verschärft haben. Bei begrenzten Therapieplätzen am Wohnort kann die Onlinetherapie eine gute Alternative sein. Studien haben die Wirksamkeit dieses Therapieangebots auch für die Behandlung von Essstörungen belegt.

Mehr über die Behandlung und den Verlauf von Essstörungen erfahren Sie in den von uns erstellten Broschüren, Handzetteln, Artikeln und in unserem Ratgeber-Buch der Stiftung Warentest für Angehörige und Freunde von Menschen mit einer Essstörung.

Quellen:

  1. Pressemeldung KKH. Starke Zunahme psychischer Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen – KKH-Psychologin: Nachwuchs stärken, auch für neue Krisen. 29.03.202
  2. Pressemeldung DAK. Pandemie: Depressionen und Essstörungen bei Jugendlichen steigen weiter an. 27.05.22
  3. Heyer, C. Corona-Krise: Für Patienten mit Essstörung eine harte Zeit. MMW – Fortschritte der Medizin 163 , 18 (2021)
  4. Robert Koch-Institut. Veränderungen der psychischen Gesundheit in der Kinder- und Jugendbevölkerung in Deutschland während der COVID-19-Pandemie – Ergebnisse eines Rapid Reviews. Journal of Health Monitoring S1/2023  
  5. U. Wässerle U et al. Anorexia nervosa: Steigt die Inzidenz in der Coronapandemie? Paediatr. Paedolog. 2022, 57:247–253